Nachgedacht

„Und er ist die Sühnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die ganze Welt.“ 1. Johannes 2, 2                                                                                             

Das Sühnekreuz

Wenige hundert Meter von unserem Haus in Ottobeuren entfernt, an der Ecke Thalheimerstraße/Bahnhofstraße, steht ein sogenanntes „Sühnekreuz“ aus Tuffstein. Vermutlich stammt es aus der Zeit vor der Einführung der Constitutio Criminalis Carolina, des ersten deutschen Strafgesetzbuches, durch Kaiser Karl V. im Jahr 1532. Damals war es üblich, die Strafen für Mord und Totschlag in privatrechtlichen Sühneverträgen festzulegen. In einem Dokument aus dem fränkischen Weikersheim zum Beispiel einigten sich die Eltern eines Ermordeten mit dem Täter auf folgende Wiedergutmachung: die Errichtung eines Sühnekreuzes, eine Heilige Messe mit zwei Priestern, zehn Pfund Wachs für Kerzen, 45 Gulden für Spesen und Schadenersatz, je ein Paar Hosen für die Schiedsleute, den Amtmann und den Vogt sowie zwei Eimer Wein für die Gefolgschaft beider Parteien. Nach der Aushändigung dieser Sühnegaben musste der Mörder eine Blutrache der Gegenpartei nicht mehr fürchten. Sein Gewissen vor Gott konnten sie freilich nicht reinigen.

Die Praxis, Unrecht durch die Darbringung von Gaben zu sühnen, erinnert mich an den Opferdienst des Volkes Israel. Dort opferte der Sünder am Heiligtum „Gaben und Schlachtopfer“, die ihn jedoch „in seinem Gewissen nicht vollkommen machen“ konnten (Hebr 9,9).

Das ist auch heute noch so. Keine „Sühne“ unsererseits kann unser Gewissen vor Gott reinigen. Das kann nur Jesus Christus. Der Apostel Johannes sagt: „Er ist die Sühnung für unsere Sünden“ (1Joh 2,2). Ähnlich wie auf manchen Sühnekreuzen ein Abbild der Tatwaffe angebracht ist, hat der Herr „den Schuldschein …, der gegen uns war“, mit sich ans Kreuz genagelt (vgl. Kol 2,14). Für diejenigen, die sein stellvertretendes Opfer für sich persönlich in Anspruch nehmen, gilt die Einladung: „So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen in voller Gewissheit des Glaubens, die Herzen besprengt [und damit gereinigt] vom bösen Gewissen und den Leib gewaschen mit reinem Wasser“ (Hebr 10,22). Pg